Der Wahlsieger. – Die ZEIT 13.04.22 Seite 6
„Das Besondere und mithin Habecktypische ist allerdings, dass der Minister die Wahrheiten nicht verkündet, sondern vielmehr herbeireflektiert.“ und „Er analysiert die Dilemmata, in denen er sich als Politiker bewegt, er legt seine Zweifel offen und erklärt …“ sind für mich zwei aufeinanderfolgende Schlüsselsätze im lesenswerten Artikel von Robert Pausch.
Warum: Politik ist nie alternativlos – ein Wort, das von Angela Merkel, die ich sehr schätze, leider missbraucht wurde. Es gibt immer Alternativen. Oft sind diese sehr viel schlechter als andere Wege, manchmal liegen dort aber auch signifikante Vorteile – je nach dem aus welchem Werteschema heraus man die Sache betrachtet.
Genau dieser Abwägungsprozess ist für eine Demokratie so existenziell wichtig – und wie die Habeck-Resonanz zeigt – auch vermittelbar!
Ich war jahrelang in der Kommunalpolitik aktiv und bin einer großen Partei durch Mitgliedschaft verbunden. Was mich immer gestört hat, ist der Habitus: „Wir wissen, wo es langgeht – und die anderen haben es nicht begriffen.“, der in der Regel vorgetragen wird ohne eine Diskussion über Gründe, Aspekte, Vor-und Nachteile zu suchen, denn wer „zu uns gehört“, braucht keinen transparenten Abwägungsprozess, denn er weiß ja Bescheid was richtig und was falsch ist.
Wo kommt es wohl her, dass wir in den sozialen Medien so viel Hass, Niedertracht und noch viel mehr herabwürdigende und wertschätzungsfreie Formulierungen finden? Die Presse und die Partei-Politik leben massiv genau dieses Muster mit wenigen wohltuenden Ausnahmen vor – wenn auch ein wenig disziplinierter.
Ein Kulturwandel täte einer auch künftig bzw. weiterhin erfolgreichen Demokratie den Humus pflegen, denn auf dem harten Schotter kantiger „Wahrheiten“ und „alternativloser“ „Lösungen“ wächst kein grünes Gras – geschweige denn nahrhafte vitaminreiche Frucht.